Die Kronenarchitektur von Bäumen als diagnostisches Hilfsmittel
Interner theoretischer und praktischer Lehrgang bei Pfefferer Baumkultur
April 2025
Mit einem anspruchsvollen internen Lehrgang zum Thema „Kronenarchitektur“ mit Tom Jove, Belgien, zeigt Pfefferer Baumkultur einmal mehr, dass man nicht nur einfach Bäume „zurechtschneiden“ oder Verkehrssicherheit herstellen will. Wir sind bemüht um ein vertieftes Verständnis des „Lebewesens Baum“ in allen seinen Altersabschnitten. Fachkenntnis ist unentbehrlich, um die Gesundheit eines Baumes zu wahren oder wieder herzustellen. Und nur so lassen sich falsche Schnittmaßnahmen oder unnötige Fällungen aufgrund von Fehldiagnosen vermeiden. Mit dem Lehrgangsthema „Kronenarchitektur“ ist Pfefferer Baumkultur im deutschen Sprachraum im Sinne des Wortes „avant garde“ – einer der Pioniere in der Herangehensweise an die Baumpflege.
Worum geht es? Auch ein Laie wird bestimmte Baumarten selbst aus der Ferne aufgrund der Kronenform (dem „Habitus“) erkennen können. Doch beim eingehenderen Blick in die Krone wird man von der Vielfältigkeit, wie die verschiedenen Baumarten Stamm und Krone aufbauen, schier erschlagen. Hier nun setzt die bisher in Deutschland weitgehend noch nicht beachtete (es fehlt deswegen bisher auch ein deutschsprachiges Glossar), jedoch besonders in Frankreich, Belgien und England bereits seit den 1970er-Jahren betriebene wissenschaftliche Beschäftigung mit der Kronenarchitektur an: Die französischen Pflanzenbiologen Francis Hallé und Roelof A. A. Oldeman schufen das Grundlagenwerk einer Topologie der Kronenarchitekturen: Sie unterscheiden 23 diskrete Grundkonstruktionen, in die sich – bei aller Vielfalt – die Kronenarchitektur aller Baumarten prinzipiell einordnen lassen. Zur Unterscheidung dieser 23 Modelle und als Würdigung dienen die Namen international bekannter ehemaliger Pflanzenkundler. Während heute die Pflanzensystematik eines Carl von Linné etabliert ist, ist bezüglich eines Glossars der Kronenarchitekturen noch viel Arbeit zu leisten.
Das beträchtliche diagnostische Potential der fachlichen Betrachtung einer konkreten Kronenarchitektur beruht nun darin, dass eine bestimmte Baumart „qua Natur“ immer selbstähnliche Kronen aufzubauen versucht. Störungen am Standort oder aufgrund hohen Alters, mechanische Beschädigungen oder Schädlingsbefall sowie allgemein ungünstige Standortbedingungen (über und unter der Erde!) teilen sich jedoch durch Abweichungen von der topologisch „idealen“ Kronenarchitektur unmittelbar mit. Man kann lernen, diese Symptomatiken „zu lesen“ und zu interpretieren. Auch wird erkennbar, ob ein Baum in seiner Grundkonstitution abgängig ist oder ein Neuaufbau einer reduzierten Krone ihn noch lange Jahre erhaltenswert macht.
Mit Kronenarchitektur hat sich übrigens schon vor über 500 Jahren Leonardo da Vinci mathematisch beschäftigt: Er formulierte die Annahme, dass auf einer gegebenen Höhe die Summe der Durchmesser aller Zweige eines Baumes mehr oder weniger dem Durchmesser des Stammes entspreche.